Am letzten Freitag, den 20. Oktober, besuchte der deutsche Islamologe und em. Professor für Internationale Beziehungen Prof. Dr. Bassam Tibi die Deutsche Schule Lissabon. Er hielt einen Vortrag zu der „Islamischen Herausforderung in Europa“, ein Thema, zu dem er vor kurzem ein neues Buch herausgebracht hat.
Prof. Tibi ging in seinem Vortrag zuerst auf die „Rückkehr der Religion“ ein. Er verteidigte die These, dass Religion zurück nach Europa kommt und wieder eine prägnante Stellung im öffentlichen Raum aufnimmt. Der soziale Wandel im Rahmen der Globalisierung sei laut Tibi so schnell, dass der kulturelle Wandel nicht Schritt halten könne. Daraus entstehe eine Kluft zwischen individuellen Wertesystemen und Gesellschaft und diese Kluft sorge für ein Gefühl der Unsicherheit. Religion scheine vielen, besonders Zuwanderern, in diesen Fällen Sicherheit, Verankerung und Identität zu bieten.
Das könnte eine ernste Herausforderung für die europäische Gesellschaft werden – „was passiert mit diesen Menschen, leben sie nach europäischen Werten oder nach tradierten / importierten religiösen ?“.
Um diese Herausforderung zu bewältigen, plädierte Prof. Tibi im zweiten Teil seines Vortrages für eine „Europäisierung des Islams“: so wie der Islam sich in Asien und Afrika im Laufe seiner Geschichte angepasst habe, so solle er sich Europa der europäischen Identität anpassen. Für diese Europäisierung müsste der Islam in Europa Konzessionen machen. Darunter befinden sich zum Beispiel die Trennung von Religion und Politik, die Anerkennung von Demokratie und Menschenrechten sowie die Rolle der Zivilgesellschaft.
Im Anschluss an den Vortrag durften die Schüler Fragen stellen und es entstand eine rege Diskussion, sowohl über Themen, die im Vortrag erwähnt worden waren, zum Beispiel die Grenzen der Religionsfreiheit oder die verschiedenen Schulen innerhalb des Islams, als auch über andere Themen. So wollten die Schüler auch die Meinung Tibis zur Realisierbarkeit einer europäischen Identität wissen und haben ihn, da er mehreren Jahren in den USA gelebt und gelehrt hat, auch nach seiner Haltung zu Donald Trump gefragt.
Bassam Tibi ist Deutscher syrischer Herkunft und Reform-Muslim. Mit 18 Jahren kam er nach Frankfurt und studierte dort Sozialwissenschaften, Philosophie und Geschichte.1971 promovierte er mit einer Dissertation über den Nationalismus in der arabischen Welt.
Darauf folgte eine internationale akademische Karriere, mit Stationen in den USA (Harvard, Cornell, Yale, Berkeley, usw.), Sudan, Singapur, Kamerun, Indonesien, Türkei, Österreich und der Schweiz. Er lehrte bis seiner Emeritierung 2009 an der Universität Göttingen. Aufgrund seines Wirkens “für ein besseres Verständnis des Islam in Deutschland und für seine Vermittlung zwischen den Zivilisationen” wurde ihm 1995 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen.
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